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“Bio” ist nicht genug. “Nachhaltig” auch nicht.

By 2. Mai 2017August 14th, 202311 Comments
Wie Bio ist die Gärtnerei Schnelles Grünzeug

Vorneweg: Ich finde, dass der Bio-Anbau das normalste der Welt sein sollte. Es ist also absurd, Produkte solcherlei Ursprungs extra zu kennzeichnen. Vielmehr sollte es doch so sein, dass Produkte, die mit Giften behandelt wurden, dass Produkte für die Tiere Leid erfahren mussten, dass Produkte bei deren Produktion Böden oder ganz allgemein unsere Umwelt geschädigt wird, dass solche Produkte also mit Warnhinweisen versehen werden sollten. “Achtung diese Karotte wurde mit synthetischen Düngemitteln produziert. Ihr Kauf gefährdet den Humushaushalt des Bodens und fördert somit die Klimaerwärmung” So in etwa.

Doch nun zu meiner Gärtnerei im Speziellen und dem Landbau im Allgemeinen:

Bis ins Jahr 2012 betrieb ich die Essbare – Landschaften – Gärtnerei. Sie war ziemlich einzigartig in Deutschland und in der Top-Gastronomie hoch angesehen. Und sie war eine zertifizierte BIOLAND-Gärtnerei.

Meine Gärtnerei ist nicht bio-zertifiziert

Diese Zertifizierung habe ich beendet. Dies hatte nicht den Grund, dass ich fortan freie Hand haben wollte in Richtung Gift und Synthetik-Düngern.

Mich hat die Bio-Zertifizierung nicht mehr überzeugt und die Aussage dahinter. Der Bio-Begriff wird absurd, wenn ich im Januar BIO-Heidelbeeren aus Chile kaufen kann.

Und er bleibt mehr als fraglich, wenn man unter “bio” zunehmend nur eine ökogeschönte Fortführung der industriellen Landwirtschaft versteht. Von der Bio-Massentierhaltung mal ganz abgesehen. Das reine Fortlassen von Antibiotika, Wachstumsregulatoren, Herbiziden etc. reicht eben nicht.

Und trotzdem muss die Welt satt werden. Und das soll sie auch! Es reicht aber nicht, sich nur diesem Ziel zu stellen. Die Klimakatastrophe und der Artenschwund sind genau so bedrohlich für die Existenz der Menschheit, wie der Hunger.

Nachhaltigkeit ist zu wenig

Ich möchte eine Art des Gartenbaus  und der Landwirtschaft, die mehr ist als nachhaltig. Es genügt mir nicht mehr, der Natur nur das zu entnehmen, was auch wieder nachwächst oder ihr nur das zurück zu geben, was man ihr entnimmt.

Eine wirklich moderne Landbewirtschaftung sollte meines Erachtens das Ziel verfolgen, das bewirtschaftete Land fruchtbarer, artenreicher und damit auch profitabler zu hinterlassen, als man es vorgefunden hat.

Anmerkung Profit im Ökogarten

Oftmals ist Ökobewegten das Streben nach Profit suspekt. Das ist dann verständlich, wenn es mit dem Streben nach ständiger Profitmaximierung verwechselt wird.
Ich betreibe eine profitable Gärtnerei, weil ich weder mich selbst noch meine Angestellten ausbeuten möchte. Gute Arbeit muss gut bezahlt werden. Eigenes Streben wird zum Vorbild, wenn man selber nicht unter dem leidet, was man tut.

Die Methoden, dies zu erreichen sind dabei durchaus vorhanden und sie sind erprobt. Aber sie haben sich bisher nicht durchgesetzt. Dies mag an der völlig verfehlten Agrarpolitik von EU, Bund und Bundesländer liegen. Auch die Naturschutzverbände haben ihren Anteil daran. Und das Knowhow wird in den Ausbildungsstätten und Beratungsinstitutionen nicht gelehrt. Fast überall sind konservative, lobbyistengesteuerte Vertreterinnen und Vertreter am Werk. Die Bäuerinnen und Bauern und die Gärtnerinnen und Gärtner halten nur zu oft an dem fest, was ihnen seit Jahrzehnten eingeflüstert wird und wohin sie in ihrer Subventionsabhängigkeit getrieben werden.

Moderne Ansätze

Seit Jahrzehnten befasse ich mich ganz praktisch und theoretisch mit diesen Themen. Die Gärtnerlehre, ein Gartenbaustudium, die Ausbildung zum Permakultur-Designer, der Betrieb zweier Gärtnereien sowie der Austausch mit den besten Praktikern direkt oder über das Internet haben mich immer mehr davon überzeugt, dass es einen anderen Weg gibt. Einen Weg, der den oben formulierten Zielen entspricht.

Ich will mich bemühen in Zukunft auf den verschiedensten Kanälen mehr über meine Arbeit zu berichten und über die Leute und Bewegungen, die mich beeinflussen. An dieser Stelle schon mal die wichtigsten Ansätze:

Die Permakultur

Die Permakultur setzt sich  mit Landnutzungskonzepten auseinander, die natürliche Ökosysteme zum Vorbild nehmen und integriert den Menschen mit seinen Bedürfnissen in diese Konzepte.

In Deutschland ist diese Szene zwar schon lange am Start aber leider ohne große Erfolge im Sinne vorzeigbarer Projekte. Das ist außerhalb Deutschlands anders: Australien, USA, Schweden, auf dem afrikanischen Kontinent und in Asien gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Farmen, die sich auf die Permakulturprinzipien beziehen.

Weitere Infos hier: http://permakultur-info.de/permakultur/

Das Savory-Institut

Benannt nach dem Großreservats-Ökologen Allen Savory, befasst sich dieses Institut mit Naturschutz- und Landnutzungskonzepten, die sich das Weideverhalten großer Tierherden in ihrer natürlichen Umwelt zum Vorbild nehmen. Dieses natürliche Weideverhalten unterscheidet sich drastisch von den derzeit üblichen Weidesystemen. Auch die viel gelobte Extensivweide ist in diesem Zusammenhang nur als eine etwas bessere Variante eines falschen Systems zu betrachten.

Interessanter Weise findet man in ursprünglichen Savannen und Prärien eine enorme Fruchtbarkeit, die auf mächtigen Humushorizonten aufbaut. Sie sind nicht deswegen so fruchtbar, weil dort schon immer Humus war. Nein, der Humus entstand durch das Zusammenspiel von Graslandschaft und dieser speziellen Art der Beweidung. Dieser Effekt ist kopierbar und auf unser Nutzvieh übertragbar – das “kontrollierte Weidemanagement”, das “ganzheitliche Weidemanagement”, wird diese Art der Tierhaltung genannt – es hat viele Namen, da dieser Ansatz noch recht neu ist.

Weitere Infos hier: http://www.savory.global/

Die Polyface Farm

Die Polyface Farm wird von einem der wohl innovativsten Landwirte unserer Zeit geführt: Joel Salatin. Seit Ende der Sechziger Jahre betreibt er eine Landwirtschaft in den USA, die sich nie am Zeitgeist orientierte. Joel hat die abgedroschene Forderung  “mit der Natur statt gegen sie zu arbeiten” immer und immer wieder zur Orientierung seines Handelns gemacht. Dabei sind auf seiner Farm fein verwobene Abläufe entstanden, die den Aufwand gering und die Erträge außergewöhnlich hoch halten.
Dabei ist das ursprünglich arme Land immer fruchtbarer und artenreicher geworden.

Weitere Infos hier: http://www.polyfacefarms.com/

Jean-Martin Fortier and Curtis Stone

Beides sind kanadische Gärtner. Der eine bewirtschaftet eine kleine Gärtnerei im ländlichen Umfeld einer Stadt. Der andere arbeitet mitten in der Stadt in den Vorgärten seiner Nachbarn (!). Beides sind Ökogärtner. Beide arbeiten mit technisch einfachsten Mitteln aber hochgradig intelligent auf kleinster Fläche und beide wirtschaften hochgradig profitabel. So macht der Beruf des Gemüsegärtners wirklich Spaß.

Beide haben Bücher geschrieben, in denen sie sehr offen mit ihrem KnowHow umgehen und der Youtube-Kanal von Curtis gehört zum besten auf diesem Gebiet, was ich kenne.

Weitere Infos zu Jean-Martin hier: http://themarketgardener.com/

Weitere Infos zu Curtis hier: http://theurbanfarmer.co/

Sepp Braun

Als letzter sei in dieser Reihe ein deutscher Landwirt genannt – nicht weil er weniger bedeutsam ist. Ich will mit ihm abschließen, weil Sepp eigentlich VIEL mehr Aufmerksamkeit verdient hat, als er sie momentan bekommt. Nur einer gewissen Szene von Biobauern ist er bekannt. Aber seine Arbeit ist derart wertvoll, dass er völlig gleichberechtigt in diese Reihe von Vorbildern gehört. Vielleicht sollte man ihn sogar besonders hervor heben. Leider gibt seine Homepage nur andeutungsweise wieder, wie komplex er denkt und handelt und er schreibt er auch keine Bücher. Aber er hält beeindruckende Vorträge und gibt mitreißende Betriebsführungen. Auf einer tief empfundenen Christlichkeit, die auch ein oller Agnostiker wie ich spüren kann, baut er seine Tätigkeit auf. Ergebnis ist ein vielfältiger Bauernhof, auf dem Pflanze und Tier wichtige Teile eines Ganzen sind. Und er bezieht bei den Tieren auch die wilden Tiere und bei den Pflanzen auch die wilden Pflanzen ein – ich habe noch nie solche Getreidefelder gesehen – bunt, brummend, ertragreich – alles auf einmal.

PS: Zum Thema “Veganismus und Landwirtschaft” gibt es hier einen Beitrag.

Olaf Schnelle

Ich bin Gärtner. Für mich hätte es keinen besseren Beruf geben können. So eng mit der Natur zu arbeiten und dabei sinnvoll Produktives zu tun, ist ein richtig schönes Ding. Nahrungsmittel zu schaffen, die diesen Namen im wörtlichen Sinne verdienen, ist ein essentieller Prozeß. Mein Anliegen ist, dies so zu tun, dass kreative Köche damit etwas schaffen, das für mich viel mit Kunst zu tun hat.

11 Comments

  • Sylvie Böddener sagt:

    Hallo Olaf, ich habe mich eben auf Deiner Seite umgeschaut, weil mich jemand darauf aufmerksam gemacht hat, mit der wir letztes Jahr Kontakt hatten, weil wir “auch” Gemüsebau mit Wildkräutern “machen” wollten. Speziell der Text zum Thema bio und nachhaltig hat mich grad voll erwischt, so passend hat es lange niemand ausgedrückt wie einerseits problematisch es ist, wie unsere produzierenden Landwirte erzogen wurden und andererseits wieviel die Begrifflichkeit missbraucht wird um sich neue Profitwege zu erschließen. Zertifizierung ist halt nicht alles. Es gehört weit mehr dazu …
    Toller Satzbau, die Aussagen sind so schön präzise ausformuliert und dabei so kurz und knapp dass man es fast als Wahlspruch für eine Kampagne übernehmen könnte. (Keine Angst, ist nicht geplant.)
    Leider ist Deine Gärtnerei viel zu weit weg um Dich einfach mal so besuchen zu können und bei der Arbeit – die Dir anscheinend und glücklicherweise so viel Freude bereitet – zusehen (oder gar helfen) zu können.
    Dazu kann ich nur sagen: diese Einstellung brauchen wir, wenn wir wirklich weiterkommen wollen! Toll, Danke Dir!
    Herzliche Grüße aus Hemmingen bei Hannover
    SYLVIE

    • Olaf Schnelle sagt:

      Liebe Sylvie, vielen Dank!
      Ich komme gerade aus Hannover. Dort gab es am Wochenende die 2. Biointensive Marktgarten und Mikrofarming Konferenz. Das wäre genau das Thema für Dich gewesen, glaube ich. Diese Veranstaltung gibt es jährlich und wenn ich es richtig verstanden habe, wird sie ab sofort bis auf weiteres in Hannover stattfinden.
      Also: vielleicht bis dann!?
      Die Infos wirst Du dann hier finden:

    • https://www.soel.de/projekte/regenerative-landwirtschaft/
  • Bioplastik zersetzt sich nicht schnell genug.  Im Schnitt benotigt eine Folie aus Bioplastik bis zu 12 Wochen, bis sie sich vollkommen zersetzt hat. Wer nicht gerade einen Garten samt Komposter besitzt oder sich eine Wurmkiste angeschafft hat, wird das Bioplastik in den Hausmull geben. In den Mullsortierungsanlagen ist fur die Zersetzung von biologischem Abfalls allerdings eine Zeitspanne von hochstens 10 Wochen veranschlagt. Daher werden die Tuten aus Bioplastik aussortiert und der energetischen Verwertung zugefuhrt. Was bedeutet, dass auch das Bioplastik am Ende verbrannt wird.

    • Olaf Schnelle sagt:

      Das stimmt leider. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Rohstoffe für Bioplastik zertifiziertem Bio-Anbau entstammen müssen.
      Ich selber setze ja auch auf eine Plastik-Verpackung, die letztlich verbrannt wird. Ein ungeliebter Kompromiss. Er ist aber der Tatsache geschuldet, dass die Gesamtököbilanz von diesen Tüten immer noch deutlich besser ist, als die von Einwegglas.
      Mehrweggläser funktionieren erst dann, wenn das Pfandsystem endlich auf kurze Wege umstellt – letztlich also auf eine eine Vereinheitlichung der Verpackungsarten – so, wie es in der DDR üblicher Standard war. Dann kann man bei mir einkaufen und das Leergut wäre bundesweit auf kurzen Wegen rückführbar.

  • Imke sagt:

    Hey Olaf!

    Danke für diesen Beitrag! Ich bin oft hin und her gerissen, ob ich nun bio oder regional kaufen soll…Will ich Spritzmittel in der Region oder Transportwege und unnatürliche Herstellung (wie z.B. Tomaten mitten im Winter aus den Niederlanden) unterstützen?
    Nachdem ich mich nun für regionales Gemüse, Anbau im eigenen kleinen Beet auf dem Balkon und die fermentierende Lagerung entschieden habe, stieß ich auf deinen Blog. Dabei bleibe ich flexibel und lege mir grundsätzlich die Regel auf, dass die Qualität am Ende am wichtigsten ist.
    Danke für die Links und weiterführenden Gedanken und viel Spaß und Erfolg weiterhin!

    Viele Grüße aus Eberswalde!

  • Rüdiger Jakob sagt:

    Guten Tag Olaf,

    Ich habe gerade Deine Seite gelesen und bin sehr nachdenklich geworden. Danke dafür.

    Mit besten Grüßen

  • Elisabeth sagt:

    Hallo Olaf,
    ich bin durch eine Empfehlung auf Deine Seite gestoßen und muss sagen, WOW. Du sprichst mir bei so vielen Dingen aus dem Herzen. Ich glaube fest daran, dass man am Ende nur bei sich selbst anfangen kann, um etwas zu ändern. Im Idealfall geht man durch eigenes Tun mit gutem Beispiel voran und bringt so Menschen zumindest zum Nachdenken.
    Bei mir mündete diese Einstellung im letzten Jahr damit, dass ich meinen Kommunikationsberuf für einen global Player im konventionellen Energiegeschäft nach 15 Jahren gekündigt habe. Ich stamme ebenfalls aus Erfurt und bin als Kind bei Großeltern mit Land und Hof aufgewachsen. Die Verbindung zur Natur, das Leben mit den Jahreszeiten, mit Pflanzen und Tieren hat mich tief geprägt. Auch, wenn ich als Ausgleich zu einem schnelllebigen Beruf immer gegärtnert habe, konnte ich meine Tätigkeit nicht mehr mit den Schäden, die meine Firma dem Planeten bis heute zufügt, vereinbaren… dafür entschädigt kein Geld der Welt. Heute folge ich meinem Herz und möchte in meinem restl. Berufsjahren endlich etwas Sinnvolles für unseren Planeten und zumindest einen kleinen Dunstkreis an Menschen um mich tun …
    Meine Begeisterung gilt hier v.a. den essbaren Blüten. Es gibt in Deutschland scheinbar kaum jemanden, der diese so anbaut wie Du es tust. Das fasziniert mich sehr und hat mich neugierig gemacht. Deshalb meine Frage an Dich: Könntest Du Dir auch hier vorstellen, Dein Wissen zu teilen? Vielen Dank vorab für Deine Antwort!
    Viele Grüße aus Potsdam,
    Elisabeth

    • Hallo Elistabeth, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich denke derzeit tatsächlich über ein System nach, wie wir unser Wissen und das anderer teilen können – eine Art “Food-Campus” in der vom Humusaufbau bis zur Verarbeitung von Lebensmittel der gesamte Zyklus im Mittelpunkt stehen soll. Ich denke, dass in der Vernetzung der unterschiedlichen Akteure, der Best-Practice-Ansätze ein enormes Potential liegt.
      Derzeit gibt es nur die Möglichkeit über Praktika an unserem Wissen teilzuhaben.

  • Norma Jensen sagt:

    Hallo Olaf,
    der Artikel spricht mir aus der Seele. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren intensiv mit Ayurveda und dem Leben im Einklang mit der Natur.
    Hier in Kiel können wir bei 2 Marktschwärmereien einkaufen. Da sind auch Permakulturprojekte dabei. Direkt beim Erzeuger einzukaufen ist inspirierend und so unglaublich lecker.
    Liebe Grüße aus dem hohen Norden
    Norma Jensen

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