
Mein Freund Ralf, mit dem ich so viel erlebte und nebenbei auch die damals legendäre Gärtnerei „Essbare Landschaften“ aufbaute, ist am 17. Mai 2024 gestorben. Er wurde gerade mal 58 Jahre alt und er war noch lange nicht am Ende.
Im Gegenteil, nachdem er in Dresden das Café-Restaurant Raskolnikoff zu neuen Höhen führte, hat er gerade erst im April in Dresden das „nu!“ eröffnet. „nu“ ist sächsisch und man spricht es mit kurzem “U” und es bedeutet “ja!”.
Das ist typisch für Ralf. Er sagte sehr oft „ja“! Bzw. dann eben „nu“, weil er es verstand, sich in seine Umgebung zu integrieren und dann daraus Neues zu entwickeln.
Überhaupt war er jemand, der Dinge ermöglichte. Ein „das geht nicht“ gab es für ihn nicht. Er suchte Wege und Lösungen. Immer. Er war Unternehmer im besten Sinne. Dabei großzügig und großherzig.
Ralf hatte auch Humor und Geschmack. Beides Dinge, die nicht selbstverständlich sind und die ihm in seiner Profession als Koch und Gastgeber eben so sehr auszeichneten. Seine Gäste liebten ihn dafür – und seine Angestellten auch.
Zwölf Jahre lang betrieben wir zusammen eine Gärtnerei. Wir sammelten essbare Wildkräuter oder bauten sie an. Und Ralf machte das Unkrautverkaufen zu einer Kunstform.
Mit winzigen Budgets traten wir auf Edelmessen auf. Und gerade, weil wir so anders auftraten, zogen wir die Aufmerksamkeit auf uns. Unkräuter auf Luxusmessen – das war mal was Neues. Aber wir waren eben nicht nur witzig, sondern auch hochprofessionell. Das mochten unsere Kunden. Und wir mochten sie dafür.
Ralf schrieb die Vorworte zu unseren wöchentlichen Angeboten an die Gastronomie. Sie waren immer beides: voll kulinarischer Kreativität und gespickt mit witzigen Gedanken und Anmerkungen. So standen uns bald die Türen zu den Gourmettempeln deutschlandweit offen.
Und so gingen wir oft in Restaurants essen, in die ich bis dahin kaum meinen Fuß zu setzen wagte. Nun wurden wir empfangen wie Gleichgesinnte. Das waren immer wieder besondere Erlebnisse. Natürlich auch wegen der erwiesenen Gastfreundschaft und ganz klar auch wegen der Erlesenheit der Speisen und Getränke, die wir vorgesetzt bekamen. Manche Gänge wurden speziell nur uns serviert, weil der Koch interessiert war an unserer Meinung.
Für mich war es aber auch deswegen besonders, weil Ralf es verstand, die einzelnen Gänge zu interpretieren. Was essen wir? Wie wurde es zubereitet? Warum wurde so und nicht anders gegart? Warum sind die Proportionen so wichtig? Wie stehen die Komponenten zueinander im Zusammenhang und warum kommen die einzelnen Gänge im Menü in genau dieser Reihenfolge? So ging ich durch eine Ausbildung der schönsten Form. Mein kulinarisches Wissen verdanke ich zum großen Teil Ralf.
Auch wenn ich selbst meiner Familie mal etwas Besonderes vorsetzen wollte – Ralf ging immer ans Telefon und hatte den entscheidenden Tip. Meist reduzierte sich der Aufwand und vergrößerte sich der Effekt. Darin war Ralf Meister: Ehrlich und effektiv kochen, das konnte er.
Was er nicht konnte: ausreichend auf sich selbst achten. Die letzten Jahre waren schwer. Trotz seines Erfolgs, trotz seiner Beliebtheit sank er immer tiefer in dunkle Löcher. Ab und an kam er raus, dann war er wieder fast der alte und wir führten fröhliche Telefonate. So auch wenige Stunden vor seinem Tod. Und auch wenn er schon früher immer sagte, dass er lieber intensiv als lange leben wolle, so verließ ihn seine Kraft dann doch zu deutlich früh.
Ich vermisse meinen Freund Ralf. So viele gute Freunde hat man in seinem Leben nicht.
Vielen Dank an Ulrich van Stipriann für die Erlaubnis, das Foto verwenden zu dürfen.
Er war um die 2000 einer der ersten Köche die mich positiv inspiriert und geprägt haben.
Seine lockere Art war eine sehr willkommene Abwechslung zu den fordernden Küchenabläufen in der ich gross geworden bin. Jeder Veranstaltung war eine aufregende Zeit.
Der Tag der offenen Tür bei euch in Boltenhagen ist tief in mein Gedächtnis gebrannt.
Bin erschrocken über sein viel zu frühes ableben.
Dir Olaf, Alles Gute und viel Gesundheit.
Ruhe in Frieden Lieber Ralf
Martin Wolf
ehemaliger Azubi aus Prerow